1. Sachverhalt
Die DFS schließt seit Sommer 2008 regelmäßig die Kontrollzone Hamburg für VFR-Verkehr. Es handelt sich hier um mindestens 14 Vorfälle innerhalb von 15 Monaten.Die DFS wurde nach dem ersten Vorfall vom 22.09.2008 mit der Fragestellung konfrontiert, da dem an diesem Tag betroffenen Luftfahrtunternehmen ein Schaden von € 1.000,00 durch die Schließung entstanden ist. Die DFS bestritt zunächst, dass die Kontrollzone überhaupt geschlossen wurde. Sie bestritt weiter, dass es regelmäßig zur Schließung der Kontrollzone komme. Die DFS berief sich später als Rechtsgrundlage für die Schließung der Kontrollzone auf § 10 Abs. 3 LuftVO. Die DFS argumentiert, dass sie Flüge nach Sichtflugregeln jederzeit untersagen kann. Sie erklärt konkret, dass Maßnahmen, die die Beschränkung des VFR-Verkehrs zur Folge haben, grundsätzlich auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden und daher rechtmäßig seien.
2. Rechtliche Bewertung
§ 10 Abs. 3 LuftVG lautet:
§ 10 LuftVZO: … (3) Im kontrollierten Luftraum können Flüge nach Sichtflugregeln ganz oder teilweise in einem räumlich und zeitlich begrenzten Umfang von der Flugsicherungsorganisation untersagt werden, wenn es der Grad der Inanspruchnahme durch den der Flugverkehrskontrolle unterliegenden Luftverkehr zwingend erfordert.
Die Gesetzesauslegung ist im vorliegenden Fall recht einfach, die Einschränkung des Verkehrs nach Sichtflugregeln ist dann möglich, wenn es
der Grad der Inanspruchnahme zwingend erfordert.
Es sind also zwei Tatbestandsmerkmale zu erfüllen:
Der Grad der Inanspruchnahme durch den Luftverkehr muss so hoch sein, dass die Einschränkung zwingend erforderlich ist.
Somit stellt sich die Frage, ob an den in der Anlage genannten Tagen der Luftverkehr so stark angewachsen ist, dass es zwingend erforderlich war, den VFR-Verkehr einzuschränken. Dieses ist unstreitig nicht der Fall. Es waren ganz normale Verkehrstage mit normalen Flugbewegungen.
Die Sperrung des Luftraums wurde auch nicht mit den Flugbewegungen begründet, sondern damit, dass Lotsen erkrankt seien.
Es stellt sich damit die Frage, ob die Erkrankung eines Lotsen nach der vorgenannten gesetzlichen Regelung ein maßgeblicher Grund für die Einschränkung in der Kontrollzone ist. Die DFS könnte jetzt argumentieren, dass „der Grad der Inanspruchnahme“ zwar auf normalem Niveau war, aber für die wenigen Lotsen eben zu viel, so dass der Grad der Inanspruchnahme (für die wenigen Lotsen) die Sperrung zwingend erfordert hätte.
Hier würde indes die gesetzliche Regelung auf den Kopf gestellt. Sinn der Regelung ist der, dass zwar der gesamte Flugverkehr abgewickelt werden muss, wenn aber so viel Verkehr kommt, dass man sich zwischen IFR- (meistens Linienverkehr) und VFR-Verkehr zwingend entscheiden muss, dass man dann den VFR-Verkehr einschränken kann. Der Gesetzgeber hatte hier Großflughäfen wie Frankfurt oder München im Blickwinkel. Dieses wird durch das Tatbestandsmerkmal „zwingend“ verdeutlicht. Außerdem ist, wenn ein Lotse erkrankt, nicht der „Grad der Inanspruchnahme“ der zwingende Grund, sondern die mangelnde Personalbesetzung. Der Grad der Inanspruchnahme ist nämlich völlig normal und im Rahmen dessen, was normalerweise von den Lotsen problemlos bedient werden kann. Also ist nicht der Grad der Inanspruchnahme das Besondere, sondern die geringe Personalbesetzung.
Wenn aber die mangelnde Personalbesetzung die wirkliche Ursache ist, kann man nicht das Tatbestandsmerkmal des „Grades der Inanspruchnahme“ missbrauchen und einen ganz normalen Grad der Inanspruchnahme als zu hoch titulieren. Die eigentliche Ursache ist nämlich nicht der Grad der Inanspruchnahme, sondern die mangelnde Personalbesetzung.
Gleiches gilt auch, wenn man sich dem Tatbestandsmerkmal „zwingend“ zuwendet. „Zwingend“ bedeutet, dass es anders nicht geht. Dieses ist bei der Personaldisposition aber nicht so. Es gibt viele Berufe, wo eine Redunanzplanung notwendig ist, wo Bereitschaftsdienste eingeteilt werden müssen und wo es nicht akzeptabel ist, dass Dienste nicht ausgeführt werden. Dieses ist in den meisten Unternehmen Gang und Gebe, ohne dass hier herausragende sicherheitsrelevante Positionen zu besetzen wären. Jedes normale Handelsunternehmen hat „Springer“, um die normale Arbeit ausführen zu können, auch wenn mal mehrere Kollegen gleichzeitig erkranken. Im hier streitgegenständlichen Fall brauchen wir aber gar nicht so weit zu schauen, sämtliche Luftverkehrsgesellschaften stehen vor dem gleichen Problem. Es ist schlichtweg unakzeptabel, dass ein Flug ausfällt, nur weil ein Pilot erkrankt. Derartige Erkrankungsmöglichkeiten werden – auch in größerem Umfang – von den Luftverkehrsgesellschaften planerisch einkalkuliert und können ohne Einschränkungen des Flugverkehrs abgefedert werden.
Bei sicherheitsrelevanten Unternehmungen ist ein Ausfall der Dienste wegen Personalmangels schlicht unakzeptabel. Ein Anruf bei der Feuerwehr, die mitteilt, dass wegen Personalmangels nur noch Großbrände gelöscht werden könnten, würde sicherlich ebenso wenig akzeptiert werden wie die Sperrung eines wesentlichen Teils des Luftverkehrs, wie im vorliegenden Fall. Eine Redunanzplanung ist hier ohne Weiteres möglich und es besteht nicht ein einziger ersichtlicher, nachvollziehbarer Grund, warum die Personaldisposition nicht so ausgerichtet wird, dass auch ein erhöhter Krankenstand ausgeglichen werden kann. Dieses gilt umso mehr, als dass es nicht um einen Einzelfall geht, der einmal im Jahr aufgetreten ist.
Im vorliegenden Fall haben die Ausfälle System und ziehen sich über 15 Monate gleichmäßig hin. Hier ist die Einschränkung nicht zwingend notwendig, weil man mit ganz einfachen Mitteln, nämlich dem Einschulen eines weiteren Kollegen, die Einschränkung ohne Weiteres hätte vermeiden können.
Klagverfahren wegen Amtspflichtverletzung sind in Vorbereitung.
mitgeteilt von Rechtsanwalt Stefan Hinners, Rechtsanwälte Brüggemann & Hinners, Hamburg