Der EuGH (Urteil vom 15.03.2011 – C-29/10) hatte über die Frage zu entscheiden, welches Recht welchen Staates auf einen Arbeitsvertrag Anwendung findet, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Mitgliedsstaaten ausübt.
Im vom EuGH zu entscheidenden Fall ging es um einen Lkw-Fahrer, der in Deutschland wohnt und seit 1998 als Fahrer bei einer Gesellschaft in Luxemburg beschäftigt gewesen ist.
Die Arbeitgeberin ist auf den Transport von Blumen und anderen Pflanzen von Dänemark vor allem nach Deutschland spezialisiert, liefert allerdings auch in andere EU-Länder.
Die Abstellplätze für die Lkw befinden sich in Deutschland, wo die beklagte Arbeitgeberin aber weder einen Gesellschaftssitz hatte noch über Geschäftsräume verfügte.
Die Lkw sind jeweils in Luxemburg zugelassen und die Arbeitsverhältnisse der Lkw-Fahrer sind der luxemburgischen Sozialversicherung angeschlossen, die Arbeitsverträge weisen jeweils den Passus auf, dass luxemburgisches Recht Anwendung finde.
Nachdem die Arbeitgeberin Restrukturierungsmaßnahmen angekündigt hatte, gründeten die Beschäftigten in Deutschland einen Betriebsrat. Der nunmehr klagende Arbeitnehmer, der Ersatzkandidat des Betriebsrates war, erhielt nunmehr seine Kündigung und erhob hiergegen zunächst Kündigungsschutzklage vor einem deutschen Arbeitsgericht und behauptete, ihm stünde als Ersatzmitglied des Betriebsrates ein Sonderkündigungsschutz zu.
Die deutschen Arbeitsgerichte haben sich sämtlichst für unzuständig erklärt, so dass der klagende Arbeitnehmer sodann eine Klage vor einem luxemburgischen Gericht eingereicht hat.
Dieses hatte nunmehr die Frage, welches Recht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollte, zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt.
Dieser hat in einer sehr instruktiven Entscheidung nunmehr festgestellt, dass nach dem geltenden europäischen Recht darauf abzustellen sei, in welchem Staat der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte.
Dieses sei der Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübe und – in Ermangelung eines Mittelpunktes der Tätigkeit – der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeit ausübe.
Der Ort der Ausübung der beruflichen Tätigkeit sei zum Schutz des Arbeitnehmers weit auszulegen, so dass das jeweilige Gericht daher im konkreten Fall ermitteln müsse, in welchem Staat sich der Ort befinde, von dem aus der Kläger seine Transportfahrten durchführe, von wo er seine Anweisungen zu diesen Fahrten erhalte, wo und wie seine Arbeit organisiert sei und wo sich die Arbeitsmittel befinden, an welche Orte die Waren hauptsächlich transportiert würden, wo sie entladen würden und wohin der Arbeitnehmer nach seinen Fahrten zurückkehren würde.
Hierüber wird das Gericht in Luxemburg nunmehr zu entscheiden haben und es ist davon auszugehen, dass höchst wahrscheinlich deutsches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden wird, weil hier die meisten der vorgenannten Kriterien zu bejahen sind.
Generell ist zu sagen, dass es für Arbeitgeber schwieriger werden dürfte, das im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr arbeitnehmerfreundliche deutsche Arbeitsrecht dadurch zu umgehen, dass der Arbeitsvertrag mit einer ausländischen Konzerntochter geschlossen wird, der Arbeitnehmer aber tatsächlich hauptsächlich in Deutschland beschäftigt wird.
mitgeteilt durch Rechtsanwalt Jan Kröger, Rechtsanwälte Brüggemann & Hinners, Hamburg