In dem nachfolgenden Artikel beschäftigt sich RA Jens Poppe mit den Ansprüchen, die Landwirten zustehen, die von dem sog. Dioxinskandal betroffen sind. Erörtert werden Ansprüche aus dem Kaufvertrag über das – vermeintlich oder tatsächlich – verseuchte Futtermittel, Ansprüche aus § 823 Abs. I BGB unter dem Gesichtspunkt der Produkthaftung und dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch. Abschließend wird dargestellt, was die betroffenen Landwirte im Rahmen der Insolvenz des Unternehmens Harles & Jentzsch aus Uetersen, das den Skandal vorrangig ausgelöst hat, zu beachten ist.

 

1.           Einleitung

In einigen Futtermittelchargen, die in der Tiermast Verwendung gefunden haben, haben die Aufsichtsbehörden überhöhte Dioxinwerte gefunden. Nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse sind diese Werte zustande gekommen, weil bei einem Futtermittelhersteller, der Firma Harles & Jentzsch GmbH aus Uetersen in Schleswig-Holstein Fettsäuren, die nur für den Einsatz in technischen Fetten zugelassen waren, dem Futtermittel untergemischt wurden. Ob dahinter vorsätzliches Handeln steht oder ein Versehen, wie von der Firma Harles & Jentzsch behauptet, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Firma Harles & Jentzsch hat inzwischen Insolvenz angemeldet. Das Insolvenzverfahren wurde noch nicht eröffnet. Der  Rechtsanwalt Fialski aus Hamburg wurde als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt.

Für Landwirte, die Futtermittelchargen aus der Produktion der Firma Harles & Jentzsch erhalten hatten, bedeutete dies ein Vermarktungsverbot für ihre Produkte während der Zeit, in der das Futtermittel auf dem Betrieb von den zuständigen Behörden auf die Dioxinbelastung hin untersucht worden ist. Wurde kein Dioxin gefunden, wurden die Betriebe wieder freigegeben, ein Schaden ist den betroffenen Landwirten aber dennoch verblieben, weil sie ihre Tiere gar nicht oder nur noch zu verminderten Preisen verkaufen konnten. Teilweise mussten Tiere getötet werden. Leistungen aus der Tierseuchenkasse gibt es dafür, soweit bekannt, keine. Auch die Versicherer, bei denen Landwirte eine Betriebsunterbrechungsversicherung eingedeckt haben, lehnen ihre Einstandspflicht nach Medienberichten ab. Außerdem mussten die betroffenen Landwirte, und zwar alle, nicht nur diejenigen, die tatsächlich Futtermittel von Harles & Jentzsch bekommen hatten, einen erheblichen Preisrückgang hinnehmen.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, inwieweit den betroffenen Landwirten dadurch Ansprüche zustehen. Er betrachtet im zweiten Abschnitt Ansprüche aus dem Kaufvertrag gegen den Futtermittellieferanten, im dritten Abschnitt gesetzliche Ansprüche insbesondere aus unerlaubter Handlung gegen die Firma Harles & Jentzsch sowie gegen Futtermittelhersteller, denen Harles & Jentzsch zugeliefert hat, sowie auch gegen Mitarbeiter der Unternehmen und betrachtet in einem vierten Abschnitt, was im Rahmen der Insolvenz der Fa. Harles & Jentzsch zu beachten ist.

2.           Kaufrechtliche Ansprüche

Kaufrechtliche Ansprüche bestehen, wenn gelieferte Futtermittel mangelhaft waren. Dass es einen Mangel darstellt, wenn ein geliefertes Futtermittel die Grenzwerte für Dioxin überschreitet, ist nicht zweifelhaft.

Die Frage ist, ob ein Mangel schon dann vorliegt, wenn nur der Verdacht besteht, dass ein Futtermittel dioxinverseucht ist, zur Klärung dieses Verdachtes Maßnahmen angeordnet werden (insbesondere eine Sperrung des betroffenen Betriebes), sich der Verdacht später aber nicht bestätigt, das heißt, festgestellt wird, dass das Futtermittel die zulässigen Grenzwerte einhält. Die Klärung dieser Frage setzt eine Auseinandersetzung mit dem Mangelbegriff voraus. Der Mangel muss sich in einer Beschaffenheit der gelieferten Sache manifestieren, und eine Beschaffenheit ist nach der Rechtsprechung nur etwas, das der Sache, so eine gern verwendete Formulierung, „anhaftet“ und ihre Grundlage „im tatsächlichen Zustand der Sache selbst hat“. Ein bestimmter Ruf haftet der Ware dagegen nicht an, sondern ist flüchtig und kann sich jederzeit ändern.

Anders ist es aber, wenn der „schlechte Ruf“ der gelieferten Ware kein bloßes Gerücht ist, sondern der konkrete und durch Tatsachen begründete Verdacht besteht, dass die Ware nicht die geschuldete Qualität habe. Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen aus dem Jahre 1969 und 1972 entschieden, dass auch der Verdacht, eine Ware habe einen Mangel, schon für sich einen Mangel bedeutet, wenn der Verdacht seine Grundlage in konkreten Tatsachen hat (also nicht nur ein Gerücht ist), wenn diese Tatsachen mit dem Zustand der Ware zusammenhängen und wenn schon der Verdacht dazu führt, dass die Verwendbarkeit der Ware einschränkt ist und dieser Verdacht auch nicht mit dem Käufer zumutbaren Maßnahmen beseitigt werden kann. In der Entscheidung des BGH vom 16.04.1969 (BGH, Urt.v. 16.04.1969, Az. VIII ZR 176/66, abgedruckt: BGHZ 51, S. 52) ging es um den Verdacht, gelieferte tiefgekühlte Hasen aus Argentinien seien mit Salmonellen verseucht. Der BGH hat angenommen, dass schon dieser Verdacht ausreicht, um einen Mangel zu begründen, auch wenn tatsächlich nicht geklärt sei, ob der Verdacht auch begründet sei. Schon der Verdacht als solcher beseitige die Verkehrsfähigkeit der Ware und lasse sich auch nicht mit dem Käufer zumutbaren Maßnahmen ausräumen, da dies die Untersuchung durch einen Sachverständigen voraussetze, deren Kosten höher lägen als der Wert der Ware.

Noch einmal um tiefgekühlte Hasen ging es in einer Entscheidung des BGH vom 14.06.1972 (BGH, Urt. v. 14.06.1972, Az. VIII ZR 75/71, abgedruckt: NJW 1972, S. 1464). Hier hat der BGH seine Rechtsprechung fortgeführt und ausgeurteilt, dass ein Mangel in Form eines Verdachts auch dann schon beim Gefahrübergang (das ist in der Regel die Übergabe der Ware an den Käufer) vorliegt, wenn zwar zu diesem Zeitpunkt der Verdacht als solcher noch nicht aufgekommen war, aber die Tatsachen, die später den Verdacht hervorrufen, schon vorhanden, nur eben noch nicht entdeckt waren.

Dazu nur scheinbar im Widerspruch steht eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1988 (BGH, Urt. v. 23.11.1988, Az. VIII ZR 247/87, abgedruckt: NJW 1989, S. 218). Hier hat der BGH entschieden, dass der Verdacht, einem gelieferten Wein seien gesundheitsschädliche Zusatzstoffe (hier: Glykol) beigemischt worden, keinen Mangel darstelle, wenn dieser Verdacht später ausgeräumt werde. Dieser Fall war dadurch gekennzeichnet, dass dem Käufer durch den bestehenden Verdacht keine nennenswerten Nachteile entstanden waren. Der Verkäufer hat die zur Ausräumung des Verdachts notwendigen Laboruntersuchungen auf eigene Kosten durchführen lassen, und anschließend konnte der Wein, der nicht zum Weiterverkauf bestimmt war, problemlos genossen werden. Diese Entscheidung widerspricht daher dem Urteil vom 16.04.1969 nicht, sondern präzisiert nur, wann ein Verdacht deshalb keinen erheblichen Mangel darstellt, weil er mit dem Käufer zumutbaren Maßnahmen ausgeräumt werden kann. Zur rechtlichen Einordnung dieser Entscheidung muss man wissen, dass im Kaufrecht zum Zeitpunkt dieser Entscheidung ein Recht des Verkäufers, die gelieferte mangelhafte Ware nachzubessern, nicht vorgesehen war. Dieses „Recht der zweiten Andienung“ ist im Kaufrecht erst mit der Schuldrechtsreform, die am 01.01.2002 in Kraft getreten ist, eingeführt worden. Nach dem früher geltenden Recht führte deshalb die Annahme, ein Verdacht auf einen Mangel sei bereits selbst ein Mangel, ohne weiteres dazu, dass der Käufer den Kaufvertrag rückabwickeln konnte, ohne dass der Verkäufer die Möglichkeit hatte, den Kaufvertrag dadurch zu erhalten, dass er auf eigene Kosten den Verdacht der Mangelhaftigkeit ausräumt. Es ist deshalb verständlich, wenn der BGH in seinen Entscheidungen versucht, dieser Konsequenz dadurch aus dem Wege zu gehen, dass bei einem für den Käufer mit zumutbarem Aufwand ausräumbaren Mangelverdacht schon der Mangel als solcher verneint. Nach der heutigen Rechtslage wird man annehmen müssen, dass die Ausräumbarkeit des Mangelverdachts durch den Käufer nur noch dann dazu führt, einen Mangel abzulehnen, wenn der Aufwand, den der Käufer dafür betreiben muss, eine Bagatelle darstellt. Ansonsten wird man auch bei einem ausräumbaren Mangelverdacht einen Mangel annehmen müssen; die nach heutigem Recht bestehende Möglichkeit des Verkäufers, den Kaufvertrag durch eine Nachbesserung zu erhalten setzt dann gerade voraus, dass der Verkäufer den Mangelverdacht ausräumt.

Der BGH hatte seit dem 01.01.2002 noch keine Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu der Frage, wann schon der Verdacht eines Mangels selbst einen Mangel darstellt, weiterzuentwickeln. Die jüngste bekannte Entscheidung zu dieser Frage stammt vom LG Bonn (LG Bonn, Urt. v. 30.10.2003, Az. 10 O 27/03, abgedruckt: NJW 2004, S. 74). Auch das LG Bonn bleibt der bisherigen Linie treu und nimmt an, dass bei einem verkauften Haus schon der durch konkrete Tatsachen gestützte Verdacht, ein Haus habe keine ordnungsgemäße Kellerabdichtung, genüge, damit das Haus als mangelhaft anzusehen sei. Die Nachbesserung des Verkäufers bestehe dann gerade darin, diesen Verdacht auszuräumen (und nicht nur darin, wie vor dem LG Bonn vom beklagten Verkäufer vorgetragen, die Symptome zu beseitigen, die den Verdacht hervorgerufen haben).

Nach dieser Rechtsprechung wird man schon im Verdacht, Futtermittel könnte zu hohe Dioxinwerte aufweisen, einen Mangel sehen müssen. Dieser Verdacht ist nicht nur ein Gerücht, sondern beruht auf konkreten Tatsachen, nämlich der Feststellung, dass bei der Fa. Harles & Jentzsch dem Futtermittel Fette beigemischt wurden, die für die Verwendung im Futtermittel nicht zugelassen waren. Dieser Verdacht führte auch zu einer Einschränkung der Verwendbarkeit der Futtermittel, wie die von den zuständigen Behörden angeordneten Maßnahmen gegen landwirtschaftliche Betriebe, die Futtermittel von Harles & Jentsch erhalten hatten, eindrucksvoll beweisen. Die zur Ausräumung des Verdachts notwendigen Untersuchungen sind sehr aufwändig und daher den Käufern der Futtermittel nicht zumutbar.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das von Harles & Jentzsch stammende Futtermittel mangelhaft im Sinne des § 434 BGB ist, und zwar unabhängig davon, ob die konkrete Charge die Grenzwerte für Dioxin überschreitet oder ob nur der Verdacht besteht, dies könne der Fall sein.

Dies leitet zu der Frage über, welche Ansprüche aus dem Gewährleistungsrecht überhaupt abgeleitet werden können. § 437 BGB nennt insoweit als Rechte des Käufers einer mangelhaften Sache Nachlieferung, Rücktritt vom Vertrag, Minderung des Kaufpreises sowie Schadenersatz. Dabei hat der Anspruch auf Nachlieferung, also auf Lieferung von Futtermittel, welches nicht im Verdacht steht, die Grenzwerte für Dioxin zu überschreiten, Vorrang vor den übrigen Rechtsbehelfen. Dies ergibt sich aus der Verweisung des § 437 Abs. I Nr. 4 BGB auf § 281 BGB, der den Schadenersatz „statt der Leistung“ im einzelnen regelt und dort in Abs. 1 S. 1 anordnet, dass der Käufer dem Verkäufer zuerst einmal eine Frist zur Nachlieferung setzen muss, bevor er weitergehende Rechte geltend machen kann. Rücktritt, Minderung und Schadenersatz können deshalb erst durchgesetzt werden, wenn der Verkäufer der mangelhaften Ware die Nachlieferung entweder nicht innerhalb einer vom Käufer gesetzten Frist durchführt oder die Nachlieferung fehl schlägt.

Anders ist es aber, wenn durch die Lieferung der mangelhaften Ware bereits Schäden beim Käufer entstanden sind, die durch eine Nachlieferung nicht mehr behoben werden können. Dies sind die sog. Mangelfolgeschäden, also Schäden, die nicht an der Kaufsache selbst bestehen, sondern in andere Rechtsgüter des Käufers eingreifen. Dieser Schaden ist auch dann zu ersetzen, wenn er entsteht, während der Verkäufer noch zur Nachlieferung berechtigt ist. Die Ersatzfähigkeit dieses Schadens hängt auch nicht davon ab, dass der Verkäufer mit der Lieferung der Ware in Verzug geraten ist (BGH, Urt. v. 19.06.2009, Az. V ZR 93/08, abgedruckt: NJW 2008, S. 2837). Der hier in Rede stehende Schaden, der durch die Sperrung einiger landwirtschaftlicher Betriebe entstanden ist, gehört in diese Kategorie und ist daher unabhängig davon zu ersetzen, welche Fristen zur Nachlieferung dem Verkäufer des Futtermittels gesetzt worden sind.

Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist weiterhin ein Verschulden des Verkäufers, oder genauer ausgedrückt: der Verkäufer kann nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die bestehende Vermutung, er habe den Mangel der von ihm gelieferten Ware zu vertreten, widerlegen. Die Beweislast liegt insoweit also beim Verkäufer. Sollten einzelne Landwirte ihre Futtermittel direkt von Harles & Jentzsch bezogen haben, wird man nach den vorliegenden Informationen von einem Verschulden wohl ausgehen müssen, so dass dieses Tatbestandsmerkmal dann kein Problem wäre. Anders ist es bei Landwirten, die ihr Futtermittel von einem Zwischenhändler bezogen haben. Hier ist ein Verschulden des Lieferanten nur denkbar, wenn man den Zwischenhändler für verpflichtet hält, das Futtermittel auf die Einhaltung der Grenzwerte zu untersuchen. An dieser Stelle hat die Rechtsprechung die Weichen bereits zu Lasten des Käufers und zu Gunsten des Verkäufers gestellt. In einer Entscheidung vom 15.07.2008 (BGH, Urt. v. 15.07.2008, Az. VIII ZR 211/07, abgedruckt: NJW 2008, S. 2837) hat der BGH die Auffassung vertreten, dass ein Händler grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die gelieferte Ware auf Mängel zu untersuchen. Durch eine solche Untersuchungspflicht würde man dazu kommen, dass Mängel an einer Kaufsache immer vom Verkäufer zu vertreten seien, die bewusste und gewollte Entscheidung des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform, die Haftung des Verkäufers auf Schadenersatz von zusätzlichen Voraussetzungen, nämlich einem Verschulden des Verkäufers, abhängig zu machen, würde dadurch unterlaufen. Diese Rechtsprechung hat der BGH in einer zweiten Entscheidung (BGH, Urt. v. 19.06.2009, Az. V ZR 93/08, abgedruckt: NJW 2009, S. 2674) noch einmal bestätigt.

Gerade bei den hier in Rede stehenden Dioxinfunden wird man nicht annehmen können, dass ein Verkäufer (Landhändler) verpflichtet ist, das Futtermittel auf Mängel zu untersuchen, weil die Beprobung sehr aufwändig ist und deswegen von einem üblichen Landhändler sicherlich nicht erwartet werden kann.

Der Verkäufer hätte den Mangel des Futtermittels auch zu vertreten, wenn ihm das Verschulden des Herstellers zugerechnet werden könnte. Dies wäre möglich, wenn der Hersteller des Futtermittels als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers nach § 278 BGB angesehen werden könnte. Auch dem hat die Rechtsprechung aber eine Absage erteilt. Der Hersteller sei grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, da der Verkäufer nicht die Herstellung der Sache schulde, sondern nur die Übereignung der bereits hergestellten Sache (anders als bei einem Werkvertrag), deshalb erfülle der Hersteller, indem er die Sache herstelle, keine Pflicht des Verkäufers. Auch der Umstand, dass der Verkäufer sich auf den Hersteller verlassen dürfe und deshalb die Sache nicht selbst untersuchen müsse, mache den Hersteller nicht zum Erfüllungsgehilfen des Verkäufers (BGH, Urt. v. 19.06.2009, Az. V ZR 93/08, abgedruckt: NJW 2009, S. 2674).

Lehnt man das Verschulden des Verkäufers ab, entsteht scheinbar die Situation, dass der Landwirt einen Schaden hat, mangels Verschulden des Verkäufers aber keinen Ersatzanspruch, während der Verkäufer einen Anspruch gegen den Hersteller des  Futtermittels hätte (der sein Produkt auf jeden Fall untersuchen muss), aber keinen Schaden hat. Man könnte deshalb auf den Gedanken kommen, eine sog.  Drittschadensliquidation anzunehmen. Die Rechtsprechung lässt es in der Situation, dass eine Person einen Schaden hat, aber keinen Anspruch, während eine andere Person einen Anspruch hat, aber keinen Schaden, gelegentlich zu, dass die Person, die den Anspruch hat, den Schaden der anderen Person mit geltend macht. Der BGH hat aber bereits im Jahre 1963 eine Drittschadensliquidation in der Käuferkette abgelehnt. Eine Drittschadensliquidation komme nur in Betracht, wenn sich ein und derselbe Schaden durch besondere Umstände vom eigentlich Anspruchsberechtigten auf einen Dritten verlagere, aber nicht, wenn der Anspruchsberechtigte und der Dritte (hier: Zwischenhändler als Erstkäufer und Landwirt als Letztkäufer) auch nebeneinander geschädigt sein könnten. (BGH, Urt. v. 10.07.1963, Az. VIII ZR 204/61, abgedruckt: NJW 1963, S. 2071) Auch das OLG Hamm hat eine Drittschadensliquidation in der Käuferkette abgelehnt (OLG Hamm, Urt. v. 27.03.1974, Az. 20 U 281/73, abgedruckt: NJW 1974, S. 2091).

Ein weiterer und letzter Ansatz, um dazu zu kommen, dass der Verkäufer den Mangel des Futtermittels zu vertreten ist, liegt darin, den Vertrag zwischen dem Landwirt und dem Landhändler so auszulegen, dass der Landhändler garantiemäßig für die Eigenschaften des Futters haftet, weil er das Beschaffungsrisiko übernommen hat und sich dieses Beschaffungsrisiko nicht nur dann verwirklicht, wenn gar nicht geliefert werden kann, sondern auch dann, wenn keine mangelfreie Ware geliefert werden kann. Tatsächlich ist in der ersten Zeit nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform diskutiert worden, ob man nicht einen Kaufvertrag, bei dem nicht eine einzeln bestimmte Sache, sondern eine bestimmte Menge aus einer Gattung geliefert werden soll, generell so auslegen müsse, dass der Verkäufer das Risiko übernehme, eine mangelfreie Sache aus der Gattung zu beschaffen, so dass er garantiemäßig für Mängel der Sache hafte, zumindest so lange eine Lieferung mangelfreier Sachen noch möglich ist.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage gibt es, soweit ersichtlich, noch nicht. In der neueren juristischen Literatur wird es aber überwiegend abgelehnt, in einen Kaufvertrag über eine nur der Gattung nach bestimmte Sache generell wie eine Garantie für die Mangelfreiheit der gelieferten Sache auszulegen.

Falls man zu einem Verschulden des Lieferanten kommt, wäre die nächste Frage, ob der Schadensersatzanspruch durch allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam eingeschränkt ist. Soweit überhaupt allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden, ist es üblich, dass diese auch einen Haftungsausschluss beinhalten. Dieser wäre dann auf seine Vereinbarkeit mit den §§ 305 ff. BGB zu überprüfen, wobei insbesondere zu bedenken ist, dass die Haftung für grobes Verschulden sowie für die Verletzung vertragswesentlicher Pflichten nicht durch AGB ausgeschlossen werden kann. Bei der Frage, ob grobes Verschulden vorliegt, geht es wieder um die Frage, bei wem eigentlich der Landwirt sein Futter bezogen hat. Wenn es für einen Landhändler schon kein einfaches Verschulden darstellt, ein Futtermittel nicht untersucht zu haben, dann ist das erst recht kein grobes Verschulden. Bei Landwirten, die direkt von Harles & Jentzsch bezogen haben sollten, liegt nach den derzeit verfügbaren Informationen ein grobes Verschulden allerdings sehr nahe.

Die letzte Frage wäre dann, welche Schäden überhaupt von dem Ersatzanspruch erfasst sind. Dass Tiere unmittelbar durch das gelieferte Futter geschädigt worden wären, ist mir nicht bekannt. Die entstandenen Schäden sind, soweit mir bekannt, weit überwiegend durch das vorübergehende Vermarktungsverbot entstanden. Auch dieser Schaden ist durch das dioxinverseuchte Futter adäquat kausal verursacht , er war für den Schädiger vorhersehbar und ist daher ersatzfähig. Das Problem hier ist der allgemeine Marktschaden, der schlicht dadurch entstanden ist, dass der Preis für einige landwirtschaftliche Produkte in den Keller gerutscht ist. Auch dieser Schaden ist an sich kausal durch das gelieferte mangelhafte Futtermittel verursacht worden, und dass der dadurch verursachte Vertrauensverlust zu einer Kaufzurückhaltung und in der Folge zu einem Preisverfall führt, war sicherlich auch vorhersehbar. Das schwierige bei diesem Schaden ist der Nachweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, den der anspruchstellende Landwirt zu erbringen hat. Auch wenn es nach gesundem Menschenverstand einleuchtend ist, dass der Preisverfall auch auf dem Futtermittelskandal beruht, ist damit noch nicht festgestellt, in welcher konkreten Höhe die Preisentwicklung auf den Futtermittelskandal zurückzuführen ist und inwieweit auch andere Einflüsse eine Rolle spielen, z.B. die allgemein kritischer werdende Einstellung der Bevölkerung zur sog. „Massentierhaltung“, die durch einige Veröffentlichungen der jüngsten Zeit, man denke nur an Jonathan Safran Foers Bestseller „Tiere essen“, angefeuert wurde.

Den allgemeinen Marktschaden ersetzt zu bekommen, hängt deshalb davon ab, ob das entscheidende Gericht bereit wäre, diesen Schaden nach § 287 Abs. I S.1 ZPO zu schätzen. Die Erfolgsaussichten dürften hier gering sein, denn auch eine Schätzung darf nicht ins Blaue hinein erfolgen oder auf Spekulation beruhen, sondern es sind sog. Anknüpfungstatsachen notwendig, an denen es hier fehlen dürfte.

Im Ergebnis ist deshalb die Chance für die betroffenen Landwirte, Schadenersatz aus den Kaufverträgen über das Futter zu bekommen, eher gering. Eine definitive Antwort setzt aber die eingehende Prüfung dieser Verträge voraus. Ansprüche auf Lieferung mangelfreien Futters, ggf. auch auf Minderung des Kaufpreises oder Rückzahlung des Kaufpreises bestehen aber durchaus.

3.        Gesetzliche Ansprüche

a) Produkthaftung des Herstellers

Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet derjenige auf Schadensersatz, der ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht und dadurch einen Schaden verursacht hat. Dies wäre vorliegend die Firma Harles & Jentzsch, eventuell auch ein anderer Futtermittelhersteller, wenn dieser Lieferungen von Harles & Jentzsch verwendet und das Futter unter einem eigenen Namen in den Verkehr gebracht hat, dagegen nicht ein Landhändler, der nur unter einem fremden Namen hergestelltes Futter vertreibt. Die Produkthaftung trifft jeden Hersteller, auch den Zulieferer, dessen hergestelltes Produkt von einem anderen Hersteller zu einem Endprodukt weiterverarbeitet wird, wenn sich der Fehler des zugelieferten Produkts im Endprodukt niederschlägt. Dies lässt sich aus § 1 Abs. 3 Produkthaftungsgesetz erschließen. Die Fa. Harles & Jentzsch würde also auch dann haften, wenn sie kein eigenes Futter vermarktet hat, sondern nur anderen Futtermittelherstellern zugeliefert hat.

Dieser andere Futtermittelhersteller haftet grundsätzlich auch, denn anders als von einem bloßen Händler kann man von einem Hersteller sehr wohl erwarten, dass er seine Zulieferprodukte untersucht; die Haftung des Futtermittelherstellers, der zugelieferte Grundstoffe von Harles & Jentzsch verwertet, wäre nur dann ausgeschlossen, wenn dieser Hersteller die zugelieferten Futtermittel in dem gebotenen Umfang untersucht hat und die Dioxinbelastung trotzdem nicht aufgefallen ist.

Trotzdem ist das Produkthaftungsgesetz im Ergebnis nicht anwendbar. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 Produkthaftungsgesetz besteht eine Ersatzpflicht für Sachschäden nur, wenn die beschädigten Sachen für den privaten Verbrauch bestimmt waren. Als „beschädigte Sachen“ könnten hier nur die gefütterten Tiere angesehen werden, die in aller Regel zur Einkommenserzielung, mithin beruflich und nicht privat, gehalten werden.

Damit sind die Überlegungen zur Produkthaftung aber noch nicht am Ende. Die Rechtsprechung hat eine „zweite Säule“ der Produkthaftung etabliert, die sich auf die Überlegung stützt, dass derjenige, der ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr bringt, damit zugleich eine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dann auch nach § 823 Abs. 1 BGB haftet. Diese Säule der Produkthaftung ist auch außerhalb des privaten Bereiches anwendbar.

Das gelieferte Futtermittel muss einen Fehler gehabt haben. Für Landwirte, deren Futtermittel tatsächlich oberhalb der zulässigen Grenzwerte mit Dioxin belastet war, ist das einfach zu bejahen. Schwieriger ist die Beurteilung für Landwirte, deren Futtermittel zwar im Ergebnis innerhalb der Grenzwerte geblieben ist, die aber dennoch schon durch die Untersuchung und das damit verbundene Vermarktungsverbot einen Schaden erlitten haben. Oben unter 2. ist erörtert (und im Ergebnis bejaht) worden, ob schon der Verdacht eines Mangels ein Mangel sein kann. Hier ist zu fragen, ob schon der Verdacht eines Fehlers ein Fehler sein kann. Diese Frage ist, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung und der juristischen Literatur noch nicht vertieft erörtert worden. In die herkömmlichen Kategorien des Produktfehlers scheint dieser Fall nicht zu passen. Unterschieden wird zwischen Produktionsfehler, Fabrikationsfehler und Instruktionsfehler. Alle diese Kategorien, abgeleitet aus § 3 Produkthaftungsgesetz, sind auf einen tatsächlichen Fehler des Produktes zugeschnitten. § 3 Produkthaftungsgesetz gilt aber nicht unmittelbar, sondern es ist die Frage zu beantworten, wie weit die Verkehrssicherungspflicht eines Herstellers reicht. Die Rechtsprechung nimmt an, dass der Hersteller nach Inverkehrbringen das Produkt zu beobachten und drohende Gefahren, notfalls durch einen Rückruf, abzuwenden hat. Diese Verpflichtung, die ebenfalls der Produkthaftung zugeordnet wird, erfasst schon drohende Gefahren und nicht nur solche, die bereits eingetreten sind.

Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung im Rahmen der Produkthaftung dürfte deshalb bereits dann vorliegen, wenn der Hersteller auch schon vor dem Inverkehrbringen des Produktes verpflichtet gewesen wäre, das Produkt zu untersuchen und gefahrenträchtige Produkte aus dem Verkehr zu ziehen, dies aber nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchführt und die Untersuchung dann beim Produktnutzer zu dessen Lasten nachgeholt werden muss.

Geht man von einer Verkehrssicherungspflichtverletzung aus, führt diese nur dann zu einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB, wenn eines der dort genannten Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit, Eigentum, Freiheit „oder ein sonstiges Recht“ geschädigt wurden. Reine Vermögensverluste sind dagegen nicht ersatzfähig. Auch das Produkt selbst ist nicht ersatzfähig, der Anspruch auf Nachlieferung von Futter oder Erstattung des Kaufpreises lässt sich nur über den Kaufvertrag realisieren (dazu oben 2.). Auf den ersten Blick scheint eine Ersatzpflicht daher nicht zu bestehen, außer in den eher seltenen Fällen, dass tatsächlich Tiere (=das Eigentum) durch belastetes Futtermittel zu Schaden gekommen sind. Einnahmeverluste durch zeitweilige Vermarktungsverbote sind dagegen an sich das klassische Beispiel des nicht ersatzfähigen reinen Vermögensschadens. Dies wäre aber anders, wenn man hier ein „sonstiges Recht“ identifizieren könnte, dass durch die Verkehrssicherungspflichtverletzung des Futtermittelherstellers geschädigt wurde.

Hier kommt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. Ein solcher Eingriff liegt vor, wenn ein Schädiger, so die Formulierung des BGH, „unmittelbar in den Bereich des Gewerbebetriebes eingreift, der Eingriff also betriebsbezogen ist, und nicht nur einzelne ablösbare Rechtsgüter beeinträchtigt werden“ (BGH, Urt. v. 15.11.1982, Az. II ZR 206/81, NJW 1983, S. 2313). Bei einem fahrlässig verursachten Dammbruch an einer Bundeswasserstraße, der dazu geführt hat, dass einige Binnenschiffe festsaßen, hat der BGH die Betriebsbezogenheit des Eingriffs abgelehnt. Bei einer defekten Hebebühne in einem Kfz-Betrieb hat der BGH dies ebenfalls abgelehnt, da das Eigentum an dieser Bühne ein ohne weiteres ablösbares Recht betrifft (BGH, Urt. v. 18.01.1983, Az. VI ZR 270/80, abgedruckt: NJW 1983, S. 812). Als der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, dagegen im Fernsehen seine Auffassung über die fehlende Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe zum Besten gab, hat dies der BGH als betriebsbezogenen Eingriff gewertet (BGH, Urt.v. 24.01.2006, Az. XI ZR 384/03, abgedruckt: NJW 2006, S. 830), und zwar mit der Begründung, dass hier die Kreditwürdigkeit und damit auch die Fähigkeit der Kirch-Gruppe, sich zu finanzieren, beeinträchtigt werde und dies zu den Grundlagen des Betriebes zähle. Nach diesen Grundsätzen dürfte von einem betriebsbezogenen Eingriff auszugehen sein, da die Verkehrssicherungspflicht des Futtermittelherstellers, die darin besteht, Futtermittel in den Verkehr gebracht zu haben, welches nicht verwendungsfähig und im Übrigen nicht hinreichend untersucht war, unmittelbar in die Fähigkeit der betroffenen Betriebe eingreift, am Markt mit ihren Produkten auftreten zu können. Dass diese Fähigkeit zu den Grundlagen des Betriebes zählt, wird man kaum verneinen können. Eine Haftung des Futtermittelherstellers nach § 823 Abs. I BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dürfte deshalb zu bejahen sein. Das gilt unabhängig davon, ob der betroffene Betrieb landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung betreibt. Für Freiberufler, die ebenfalls kein Gewerbe betreiben, hat die Rechtsprechung bereits bejaht, dass die Grundsätze des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch für sie gelten. Es gibt keinen Grund, für Landwirte anders zu entscheiden.

Den Hersteller muss schließlich an seiner Verkehrssicherungspflichtverletzung ein Verschulden treffen. Da die Anforderungen hier recht streng sind, wird das in der Regel anzunehmen sein.

Schließlich muss der betroffene Landwirt auch einen Schaden erlitten haben. Der Schadensbegriff ist derselbe wie im Kaufrecht, so dass insoweit auf die Ausführungen oben unter 2) verwiesen werden kann.

 

b) Haftung des Futtermittelherstellers nach § 823 Abs. 2 BGB

Nach § 823 Abs. 2 BGB haftet, wer ein zu Gunsten des Geschädigten erlassenes Schutzgesetz verletzt hat. Als ein solches Schutzgesetz zu Gunsten der betroffenen Landwirte könnte das Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) anzusehen sein, und zwar dort insbesondere § 17 Abs. 2 Nr. 1 a und b), der es verbietet, Futtermittel derart herzustellen, dass sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind, die Gesundheit der Tiere oder die Qualität der aus den Tieren gewonnenen Lebensmittel zu schädigen, sowie § 19 Abs. 2 Nr. 2 LFGB. § 17 des LFGB entspricht weitestgehend § 3 des alten Futtermittelgesetzes, während § 19 LFGB dem alten § 3 Nr. 3a) entspricht und regelt, dass es verboten ist, Futtermittel in den Verkehr zu bringen, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert, insbesondere dem Futterwert, gemindert sind. Zu dieser Norm gibt es mehrere Entscheidungen, die angenommen haben, dass es sich insoweit um ein Schutzgesetz zu Gunsten der Abnehmer von Futtermittel handelt (z.B. OLG Köln, Urt. v. 20.01.1997, Az. 19 U 160/93, abgedruckt: VersR 1998, S. 595; auch BGH, Urt. v. 25.10.1998, Az. VI ZR 344/87, abgedruckt: NJW 1989, S. 707).

Dabei hat der BGH sogar ausdrücklich entschieden, dass das Verbot, minderwertige Futtermittel in den Verkehr zu bringen, auch vor den Schäden schützen soll, die dem betroffenen Futtermittelabnehmer durch die behördliche Beschlagnahme des Futtermittels entstehen. Man wird deshalb annehmen müssen, dass auch die Schäden durch vorübergehende Verkaufsverbote in den Schutzbereich des LFGB fallen.

Auch hier stellt sich aber die Frage, ob nur diejenigen Landwirte geschützt sind, die tatsächlich belastetes Futter erhalten haben, oder auch diejenigen, bei denen nur der Verdacht bestanden hat, das Futtermittel sei belastet. § 19 Abs. 2 Nr. 2 LFGB formuliert wörtlich „Futtermittel, die in ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen“. Den Begriff der Beschaffenheit gibt es auch im Kaufrecht, und dort gilt, dass das, was eine Eigenschaft der Kaufsache ist, auch eine Beschaffenheit sein kann, die der Verkäufer garantieren kann. Oben unter 2) wurde ausgeführt, dass der Verdacht, eine Sache sei mangelhaft, eine mangelbegründende Eigenschaft der Sache sein kann. Der Verdacht kann dann auch eine Beschaffenheit sein, und wenn man – so das OLG Köln in der oben zitierten Entscheidung – § 19 Abs. 2 Nr. 2 LFGB so auslegt, dass die Norm geschaffen wurde, um kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche zu verstärken, dann liegt es nahe, auch die Begriffe gleich auszulegen. Somit begründet auch der Verdacht, ein Futtermittel sei mit unzulässigen Stoffen versetzt, eine Beschaffenheit des Futtermittels nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 LFGB, jedenfalls dann, wenn dieser Verdacht durch einen Fehler im Herstellungsprozess verursacht wird und sich nicht durch den Verwender des Futtermittels mit geringem Aufwand ausräumen lässt. Dieser Verdacht mindert das Futtermittel im Wert; § 19 Abs. 2 Nr. 2 LFGB ist ausdrücklich nicht auf den Futterwert beschränkt, sondern führt diesen nur „insbesondere“ auf.

Eine Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB durch das Inverkehrbringen nicht verkehrsfähigen Futtermittels liegt somit vor. Für einen Ersatzanspruch ist zusätzlich erforderlich, dass die Schutzgesetzverletzung verschuldet wurde. Entsprechend den obigen Ausführungen zur Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht wird dies aber anzunehmen sein.

Zum ersatzfähigen Schaden gilt das unter 2) ausgeführte.

 

c) Wer haftet ?, insbesondere: Persönliche Haftung von Mitarbeitern und Geschäftsführern der Futtermittelhersteller

Für die Verletzung eines geschützten Rechtsgutes nach § 823 Abs. 1 BGB sowie eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB haftet diejenige Person, die die schadensstiftende Handlung vorgenommen hat. Abzugrenzen ist zwischen einer Rechtsgutverletzung durch aktives Tun und einer solchen durch Unterlassen.

Wird die Rechtsgutverletzung durch eine aktive Handlung bewirkt, z.B. weil das Futtermittel bewusst gepanscht wurde, dann haftet dafür diejenige Person, also derjenige Mitarbeiter, der diese Handlung vorgenommen hat. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Haftungserleichterung für Arbeitnehmer spielen unabhängig davon, dass diese bei Vorsatz ohnehin nicht greifen, keine Rolle, weil sie nur gegenüber dem Arbeitgeber gelten, nicht gegenüber Dritten (BGH, Urt. v. 19.09.1989, Az. VI ZR 349/88, abgedruckt: NJW 1989, 3273). Ob neben dem handelnden Mitarbeiter auch noch das Unternehmen haftet, in dem der Mitarbeiter tätig ist, hängt von der Stellung ab, die der Mitarbeiter inne hat. Handelt es sich um einen „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“, das wäre z.B. der Geschäftsführer der GmbH, dazu gehören aber auch herausgehobene Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene, haftet das Unternehmen nach § 31 BGB mit. Handelt es sich um einen einfachen Mitarbeiter, haftet das Unternehmen nach § 831 BGB mit, könnte sich aber entlasten, wenn es nachweist, den Mitarbeiter ordnungsgemäß ausgesucht und überwacht zu haben. Praktisch wird das hier aber keine Rolle spielen, weil das denkbare aktive Handeln immer mit einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Unternehmens (dazu gleich) zusammentreffen wird, für die das Unternehmen ohnehin direkt haftet.

Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung ist rechtstechnisch ein Unterlassen, es wurde unterlassen, den Produktionsprozess so einzurichten, dass die Herstellung fehlerhaften Futtermittels entweder gleich unterbleibt oder zumindest noch vor dem Inverkehrbringen des Futtermittels entdeckt wird. Für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftet derjenige, dessen Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, und das ist hier das Unternehmen selber, welches als Futtermittelhersteller am Markt auftritt. In diesem Fall haftet grundsätzlich auch nur das Unternehmen und nicht auch dessen Geschäftsführer. Zwar wird die Verkehrssicherungspflicht faktisch durch die Geschäftsführer erfüllt, ohne die die GmbH nicht handlungsfähig ist, diese Personen handeln aber aufgrund einer Verpflichtung der GmbH, und diese Verpflichtung wirkt nur im Innenverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Geschäftsführern und führt nicht dazu, dass die Verkehrssicherungspflicht im Außenverhältnis auf die Geschäftsführer übergeht (BGH, Urt. v. 05.12.1989, Az. VI ZR 335/88, abgedruckt: NJW 1990, S. 976; BGH, Urt. v. 14.05.1974, Az. VI ZR 8/73, abgedruckt: NJW 1974, S. 1371).

4.        Was ist wegen der Insolvenz des Herstellers zu beachten?

Die Firma Harles & Jentzsch hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Pinneberg beantragt. Das Amtsgericht Pinneberg führt den Eröffnungsantrag unter dem Az.: 71 IN 13/11 und hat der Harles & Jentzsch GmbH am 24.01.2011 ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und den Rechtsanwalt Heiko Fialski aus Hamburg zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Bei Redaktionsschluss dieses Beitrages am 18.02.2011 war das Verfahren noch nicht eröffnet. Das Verfügungsverbot bewirkt, dass nach § 240 Satz 2 ZPO i.V.m. §§ Abs. 1 Satz 1 InsO alle laufenden Zivilverfahren gegen die Harles & Jentzsch GmbH unterbrochen werden. Vollstreckungsmaßnahmen derjenigen Gläubiger, die bereits einen Vollstreckungstitel gegen die Firma Harles & Jentzsch haben, werden durch allgemeine Verfügungsverbot allerdings nicht unzulässig, es ist allerdings kaum anzunehmen, dass es irgendeinem Landwirt in so kurzer Zeit seit Bekanntwerden des Dioxinskandals schon gelungen ist, einen Titel zu erlangen.

Wenn das Insolvenzverfahren über die Firma Harles & Jentzsch eröffnet wird, müssen bzw. können die betroffenen Landwirte ihre Schäden beim Insolvenzverwalter als Forderung anmelden, werden darauf aber höchstens eine Insolvenzquote erhalten, vielleicht auch gar nichts, wenn die verfügbare Masse nicht ausreicht. Insolvenzquoten bewegen sich üblicherweise im einstelligen Bereich.

Die erste wichtige Frage im Rahmen des Insolvenzverfahrens wäre, ob die Firma Harles & Jentzsch über eine Betriebshaftpflichtversicherung verfügt, die Ansprüche aus der Lieferung von belasteten Futtermitteln mit abdeckt. Der vorläufige Insolvenzverwalter Heiko Fialski hat in einer Pressemittteilung verlauten lassen, dass eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von insgesamt 25 Mio. EUR existiert. Wenn das so ist, dann haben zwar die betroffenen Landwirte keinen direkten Anspruch gegen die Haftpflichtversicherung. Ein direkter Anspruch gegen die Versicherung besteht nach § 115 VVG nur, wenn es sich um eine Pflichtversicherung handelt. Die Betriebshaftpflichtversicherung des Futtermittelherstellers ist jedoch freiwillig und kann daher nicht direkt in Anspruch genommen werden.

Trotzdem verschwindet die Versicherungsleistung nicht im allgemeinen Topf des Insolvenzverwalters. § 110 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) regelt, dass, wenn über den Versicherungsnehmer (hier die Firma Harles & Jentzsch) das Insolvenzverfahren eröffnet wird und der Versicherungsnehmer gegen eine Versicherung einen Anspruch auf Freistellung von einem Haftpflichtanspruch eines Dritten, das wären hier die betroffenen Landwirte, hat, dass dann die betroffenen Dritten an dem Freistellungsanspruch abgesonderte Befriedigung geltend machen können. Das heißt, aus der Versicherungsleistung werden nicht alle Insolvenzgläubiger anteilmäßig bedient, sondern nur die Geschädigten durch das fehlerhafte Futtermittel. Wichtig ist aber für die betroffenen Landwirte, dass das Recht auf abgesonderte Befriedigung nur geltend gemacht werden kann, wenn es bei der Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle mit angemeldet wird.  Allerdings müssen sie sich einen Abzug von 9 % durch den Insolvenzverwalter gefallen lassen, diese Beteiligung steht dem Insolvenzverwalter nach der Insolvenzordnung zu, weil er die Ansprüche prüft und die Versicherungsentschädigung verwaltet und verteilt.

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