Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. November 2024 (9 AZR 13/24); Pressemitteilung vom 12. November 2024
Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urteil vom 9. November 2023 (5 Sa 180/23)
Überlässt ein Konzernunternehmen einen Arbeitnehmer über mehrere Jahre einem anderen Konzernunternehmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgt ist. Nach einem aktuellen Urteil des BAG kann sich das entleihende Unternehmen in solchen Fällen nicht auf das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) berufen.
Nach § 10 Abs. 1 AÜG entsteht ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer aus Gründen des § 9 Abs. 1 AÜG unwirksam ist. Das Konzernprivileg in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG schließt diese Rechtsfolge aus, es sei denn, der Arbeitnehmer wird „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“.
Im vorliegenden Fall war der Kläger von 2008 bis 2020 bei der S-GmbH angestellt und arbeitete auf dem Werksgelände der Beklagten, einem Automobilunternehmen. Die Beklagte und die S-GmbH waren während der Beschäftigungsdauer des Klägers konzernverbundene Unternehmen. Der Kläger argumentierte, es sei ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nach § 10 Abs. 1 AÜG zustande gekommen, da er seit Beginn seiner Tätigkeit als Leiharbeitnehmer unter Missachtung des AÜG eingesetzt wurde. Die Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der S-GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmerüberlassung einzuordnen.
Das Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht sah das Konzernprivileg bejaht und ging davon aus, der Kläger sei nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts widersprach jedoch: Das Konzernprivileg greife nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann nicht, wenn die Überlassung nur auf Einstellung „oder“ Beschäftigung abzielt. Dies sei regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn der Beschäftigung über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Gerade ein solcher Einsatz in der Praxis indiziere einen entsprechenden Beschäftigungszweck, so das BAG.
Die Sache wurde vom Neunten Senat zur erneuten Verhandlung an das LAG zurückverwiesen. Das LAG soll nun klären, ob tatsächlich eine Arbeitnehmerüberlassung vorlag und das AÜG anzuwenden ist. Entscheidend ist, ob der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert und deren Weisungen unterworfen war, oder ob allein die S-GmbH gegenüber dem Kläger weisungsbefugt war.
Nun bleibt abzuwarten, welche tatsächlichen Feststellungen das LAG hinsichtlich der Eingliederung trifft. Für konzernverbundene Unternehmen gilt jedoch schon jetzt: Achten Sie strikt darauf, dass ein Arbeitnehmer seine Weisungen nur vom eigentlichen Vertragsarbeitgeber erhält und nicht in die Organisation-) eines anderen Konzernunternehmens eingegliedert wird.
mitgeteilt durch Rechtsanwalt Nils Meurer, Rechtsanwälte Brüggemann & Hinners, Hamburg