Beim hier durch das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 14.06.2010 – 16 Sa 1036/09) zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob die in § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BGB ermöglichte Verkürzung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB auch auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB anwendbar ist, so dass einzelvertraglich auch hiervon abgewichen werden kann.

Beim zunächst durch das Arbeitsgericht Darmstadt zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, zu wann eine arbeitgeberseitige Kündigung Wirkung entfaltete.

Die beklagte Arbeitgeberin, die ein Transportunternehmen betreibt, beschäftigt in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung beschäftigten im Sinne von § 622 Abs. 5 Nr. 2 BGB. Der bei ihr beschäftigte klagende Arbeitnehmer war als LKW Fahrer eingestellt.

Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien enthielt u.a. folgende Regelungen:

§ 7 ordentliche Kündigung

Soweit die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB vorliegen, kann das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

§ 13 Hinweis auf Tarifverträge und sonstige Regelungen

Auf das Arbeitsverhältnis findet kein Tarif Anwendung. Betriebsvereinbarungen sind keine abgeschlossen.“

Mit Schreiben vom 01.10.2008 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2008. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 01.10.2008 nicht zum 31.10.2008, sondern erst zum 30.11.2008 aufgelöst worden ist und zudem die Verurteilung der Beklagten, dass diese eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung für den Monat November 2008 zu erteilen habe.

Die beklagte Arbeitgeberin wandte sich hiergegen und vertrat die Auffassung, § 622 Abs. 5 BGB verweise zwar lediglich auf § 622 Abs. 1 BGB, jedoch sei die Verkürzungsmöglichkeit nur dann nachvollziehbar, wenn sie auch auf die verlängerte Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Anwendung finde, denn nur so sei es kleinen Unternehmen möglich, flexibler in Zeiten der Hochkonjunktur, aber auch in der Krise, zu handeln.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat der Klage stattgegeben, hiergegen hat sodann die beklagte Arbeitgeberin Berufung zum Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat indes – erwartungsgemäß – die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. In seiner Urteilsbegründung führt es aus, dass sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 622 Abs. 5 BGB ergebe, dass sich dieser nur auf die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB erstrecke. Dieses sei auch rechtspolitisch gewollt, da der Gesetzgeber bei der verlängerten Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB davon ausgehe, dass ein Arbeitnehmer, der über längere Zeit in einem Betrieb beschäftigt sei, eine höhere soziale Schutzbedürftigkeit aufweise und es dem Arbeitgeber daher zuzumuten sei, eine längere Kündigungsfrist einzuhalten.

Des Weiteren verweist das Landesarbeitsgericht darauf, dass § 622 Abs. 4 BGB ausschließlich den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit gebe, auch von § 622 Abs. 2 BGB abzuweichen.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist in sich schlüssig und stärkt zudem weiter die Tarifvertragsparteien. Bei ihnen gibt es zumeist ein ausgewogenes Kräfteverhältnis, so dass eine für die eine Seite ungünstige Regelung an einer anderen Stelle eines Tarifvertrages durch eine für sie günstigere Regelung aufgewogen wird.

Des Weiteren ist dem Landesarbeitsgericht auch darin zuzustimmen, dass § 622 Abs. 4 BGB ja den jeweiligen Vertragsparteien eindeutig die Möglichkeit einräumt, dass auf etwaig bestehende Tarifverträge Bezug genommen werden kann, so dass die dort verkürzten oder verlängerten Kündigungsfristen auch auf das einzelne Arbeitsverhältnis Anwendung finden können, obwohl beide Vertragsparteien nicht dem Tarifvertrag unterfallen.

Soweit im Arbeitsverhältnis hiervon kein Gebrauch gemacht wird, ist es daher auch zweckmäßig, eben keine Beschneidung des § 622 Abs. 2 BGB durch Einzelvertrag zuzulassen.

Im Ergebnis befindet sich das Landesarbeitsgericht Hessen damit voll auf der Linie des Bundesarbeitsgerichts und auch der meisten anderen Instanzgerichte.

mitgeteilt durch Rechtsanwalt Kröger, Rechtsanwälte Brüggemann & Hinners, Hamburg