Das Landesarbeitsgericht Bremen (Urteil vom 29.06.2010 – 1 Sa 29/10) hatte über folgende Frage zu entscheiden: Steht die sog. „Ausschließlichkeitsanordnung“ des § 2 IV AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, dem Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG entgegen?

Im hier zu entscheidenden Fall stritten die Parteien um einen Schadenersatz- bzw. Entschädigungsanspruch im Zusammenhang mit einer Probezeitkündigung.

Die beklagte Arbeitgeberin, ein Logistikunternehmen, hatte die klagende Arbeitnehmerin, die deutsche Staatsangehörige ist, jedoch mit einem russischen Akzent spricht, im Rahmen der Probezeit gekündigt.

Zuvor gab es ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und der Klägerin, in dem dieser behauptete, Kunden der Beklagten würden sich aufgrund des russischen Akzentes erschrecken. Die Beklagte könne es sich daher nicht leisten, Mitarbeiter mit Akzent zu beschäftigen, da die Kunden denken würden: „Was für ein Scheiß-Laden, in welchem nur Ausländer beschäftigt werden“.

Die Klägerin verlangt nunmehr Schadenersatz nach § 15 II AGG, da sie anführt, sie sei wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert worden.

Das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3 Brutto-Monatsgehältern zugesprochen; das nächstinstanzliche Landesarbeitsgericht Bremen hat diese Entscheidung bestätigt.

Die Beklagte hatte angeführt, für einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG bestehe hier kein Raum, da § 2 IV AGG eine Ausschließlichkeitsanordnung dergestalt enthalte, dass der Arbeitnehmer zunächst Klage gegen eine diskriminierende Kündigung erheben müsse und nicht isoliert Klage auf Schadenersatz bzw. Entschädigung erheben könne.

Dieser Rechtsansicht sind weder das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht noch das hier entscheidende Landesarbeitsgericht Bremen gefolgt. Die Klägerin habe nicht zunächst eine Kündigungsschutzklage erheben müssen.

Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Wortlaut des § 2 IV AGG nur davon spreche, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Bereits der Wortlaut könne daher nur so verstanden werden, dass damit die Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung gemeint ist, nicht aber auf der Verletzung von Persönlichkeitsrechten basierende Entschädigungsansprüche.

Zur Begründung dieser Auslegung beruft sich das Gericht u.a. auf die Gesetzesgeschichte, da das AGG der Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG des Rates, 2000/78/EG des Rates, 2002/73/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates und 2004/113/EG des Rates diene.

Daher stünden im Falle der diskriminierenden Kündigung Kündigungsschutz und Entschädigung wegen des immateriellen Schadens (Verletzung des Persönlichkeitsrechtes) im Sinne des § 15 II AGG nebeneinander, so dass die Klägerin hier auch nicht gezwungen gewesen sei, zunächst Kündigungsschutzklage zu erheben.

Zudem hat das Landesarbeitsgericht Bremen auch die festgesetzte Höhe der Entschädigung (3 Brutto-Monatsgehälter) für ordnungsgemäß erachtet.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, wie § 2 IV AGG zu verstehen ist, hat das Landesarbeitsgericht die Revision zum BAG zugelassen, so dass abzuwarten ist, wie das Bundesarbeitsgericht letztlich entscheiden wird.

Es ist aber davon auszugehen, dass dieses die Entscheidung des LAG Bremen-Bremerhaven stützen wird.

mitgeteilt durch Rechtsanwalt Jan Kröger, Rechtsanwälte Brüggemann & Hinners, Hamburg